
Liebe Krippenfreundinnen!
Liebe Krippenfreunde!
Es gibt wohl keinen Feiertag im Ablauf des Kirchenjahres, der mit so vielen Fragen, auch Unwissen und Unverständnis konfrontiert ist, wie der heutige. Schon der Name des Festes trägt zur Verwirrung bei. „Hochfest der ohne Erbschuld empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“ heißt der offizielle Titel. Der Volksmund nennt das heutige Fest einfach „Unbefleckte Empfängnis“.
Und bereits in dieser volkstümlichen Verkürzung liegt der Grund für ein erstes Missverständnis. Denn wenn bei Maria die Empfängnis „unbefleckt“ genannt wird, könnte der Eindruck entstehen, die Kirche würde sonst, d.h. im Normalfall, die Empfängnis eines Kindes mit einem befleckten, sündhaften Tun in Verbindung bringen. Aber um es gleich und in aller Entschiedenheit zu sagen: dem ist nicht so.
Ein zweites Missverständnis: Die Tatsache, dass der heutige Festtag im Advent gefeiert wird, lässt manche Menschen auf den Gedanken kommen, das heutige Fest hätte etwas mit der Empfängnis oder der Geburt Jesu zu tun. Aber das stimmt nicht. Das Gedächtnis, dass Maria ihren Sohn Jesus in ihrem Herzen empfangen hat, begehen wir neun Monate vor Weihnachten und zwar am 25. März. Und dieser Festtag heißt „Verkündigung des Herrn“. Das Evangelium, das uns heute verkündet wurde, kann unter Umständen auch zu diesem Missverständnis beitragen.
Heute geht es also nicht um Jesus, sondern einzig und allein um Maria und zwar um den Anfang ihres Lebens, um es genau zu sagen: es geht nicht um ihre Geburt, sondern um ihre Empfängnis.
„Unbefleckte Empfängnis“ bedeutet, dass Maria erstens von ihren Eltern Joachim und Anna auf ganz natürliche Weise gezeugt wurde und dass zweitens Maria vom Augenblick ihrer Empfängnis an sündenlos gewesen ist. Marias Leben ist also von Anfang an frei von jeder Befleckung durch eine Sünde. Sie wurde - um es noch einmal zu sagen -, ohne Sünde, auch ohne Erbsünde empfangen. Diese Tatsache, besser gesagt: dieses Glaubensgeheimnis feiern wir heute.
Und wieso wurde Maria vor der Erbsünde bewahrt? - Weil sie erwählt war, die Mutter Jesu zu werden. Das ist im Grunde ihr großes Geheimnis, ihre einzigartige Berufung. Sie war zu einer Aufgabe erwählt, mit der kein anderer Mensch vor ihr und auch nach ihr betraut wurde. Der Allerhöchste hat diese junge Frau in Nazareth auserwählt, seinen Sohn als Mutter zu empfangen, als Mutter auf die Welt zu bringen und als Mutter groß zu ziehen.
Um ihm, d.h. seinem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, eine würdige Wohnung zu bereiten, deswegen hat Gott Maria von allem Anfang an vor jedem Makel der Sünde bewahrt. Maria war also erwählt. Von daher wäre es sicher verständlicher, das heutige Fest „Maria Erwählung“ zu nennen. Aber dieser Name hat sich nicht durchgesetzt.
Aber jetzt noch einmal zurück zum heutigen Evangelium. Es gibt in der Hl. Schrift keine Stelle, in der klipp und klar geschrieben steht, was wir heute feiern. Deswegen hat man sich für das Evangelium von der Verkündigung durch den Engel Gabriel entschieden. Und zwar wegen der Stelle, wo es heißt: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“. Maria wird also vom Erzengel „Begnadete“ genannt und diese Anrede deutet darauf hin, dass sie ganz und gar frei ist von jeder Sünde, eben voll der Gnade.
Und so ist es billig und recht, wenn Maria von der Kirche mit dem bekannten Lied besungen und geehrt wird: „Ganz schön bist du, o Maria. Und der Makel der Erbsünde ist nicht in dir. Du bist der Ruhm Jerusalems, du die Freude Israels, du die Ehre unseres Volkes, o Maria!“
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Glaubenslehre, dass Maria vom ersten Augenblick ihres Lebens an von aller Erbschuld frei war, wird ausdrücklich in der Hl. Schrift nicht ausgesprochen, doch wurden einige Aussagen der Schrift schon früh in dem Sinn verstanden, dass Maria das reinste, in einmaliger Weise von Gott bevorzugte Geschöpf war, die neue Eva, die ohne Sünde blieb und so zur „Mutter aller Lebenden“ werden konnte.
Und diese Glaubensüberzeugung der Kirche wurde am 8. Dezember 1854 vom damaligen Papst Pius IX. in feierlicher Weise als Dogma, d.h. als Glaubenssatz, erklärt.
Aber trotzdem blieb Maria nicht von den menschlichen Lebensumständen ausgenommen. Denn sie wurde in einer ganz gewöhnlichen Familie geboren, wuchs in keinerlei privilegierten Verhältnissen auf. Sie lernte das Flüchtlingsdasein kennen, war in Angst, als ihr Kind drei Tage nicht auffindbar war und stand sogar in der Stunde des Todes an der Seite seines Sohnes. Auch wenn Gott sie erwählt hat, blieb sie dennoch die „Magd des Herrn“. Und als Glaubende, Hoffende und Liebende ist sie uns nahe.
Das heutige Fest hat auch mit uns zu tun. Denn Gott hat in der Taufe auch uns erwählt. Wir leben zwar in einer Welt, in der es das Böse gibt, aber an Maria sehen wir, dass wir dem Bösen nicht restlos ausgeliefert sind. In Maria hat Gott nämlich den Kreislauf des Bösen unterbrochen. Und das gibt uns Hoffnung. So ist Maria die „neue Eva“, die ganz voll der Gnade ist. Und so loben und preisen wir sie als die ganz Reine und Schöne, die bei Gott für uns eintritt.
Weihbischof Dr. Hansjörg Hofer
Geistlicher Beirat des Verbandes der Krippenfreunde Österreichs